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Interview mit Moby



Moby ist zurück mit einem weiteren grossartigen Album mit dem Titel "Wait for me". Wir trafen ihn vor seinem Auftritt im Volkshaus in Zürich.

hitparade.ch: In einem Interview 2008 hast du gesagt, dass dein neustes Album "Wait For Me" sehr persönlich, melodiös und wunderschön werden soll. Hast Du dieses Ziel erreicht?
Moby: Ja, das habe ich. Es ist schwierig zu sagen, dass es sich unbescheiden anhört, aber es ist auf jeden Fall sehr persönlich und ich finde auch, dass es ein wunderschönes Album geworden ist. Es ist ruhig und melancholisch. Es ist schön, denn die Leute haben darauf reagiert und das macht mich glücklich. Ich versuche keine Kritiken zu lesen. Ich lese auch keine Pressemitteilungen, denn falls sie schlecht sind, möchte ich mich selbst umbringen und wenn sie gut sind, macht es mich selbstherrisch. Somit ist das nicht gut für mich. Ich las lediglich auf iTunes die aktuellen Konsumentenkritiken, und die Leute mögen das Album. Manche Journalisten schrieben über das neue Album positiv und manche negativ. Es soll kein Angriff auf den Journalismus sein, ich denke jedoch, die Musikjournalisten hören sich ein Album nicht auf dieselbe Weise an wie die Leute, die sich die Musik kaufen. Zum Beispiel gab Melodymaker dem Album "Play" 10 Sterne und bei der LA Times hiess es bei deren Kritik über das Album: Da ist ein Song auf diesem Album, der heisst 'Why Does My Heart Feel So Bad' und die Antwort ist 'weil ich mir dieses schreckliche Album anhören musste'. Wir verkauften trotzdem 10 Millionen Alben. Das seltsame an der Geschichte ist, dass die gleichen Journalisten, die die schlechte Kritik ausgeübt haben, es 6 Monate später auf die "Top 10 - Best Of The Year" Liste stellten. Da gibt es diese launenhafte Seite in mir, die möchte, dass jemand da wäre, der einen Sammelband an falschen Kritiken herausbringt. So wie das Rolling Stone Magazin nie gute Kritik über das Album von Led Zeppelin schrieb. Falls jedoch Led Zeppelin ein "Box Set" herausbringt, würde es trotzdem heissen "Das ist das Beste…". Offenbar haben die ersten 5 Led Zeppelin Alben beim Rolling Stone Magazin schlechte Kritik bekommen. Geh zurück und schau dir alles von John Coltrain bis The Clash an. Ok. The Clash bekam immer gute Kritiken. Ich sehe mich nicht in derselben Liga wie Led Zeppelin und John Coltrain spielen. Ich denke jedoch, da gibt es leider definitiv eine Tradition, dass Journalisten nicht immer nur die Musik bewerten. Wenn ich ein Album kaufe, denke ich nicht an diesen kulturellen Kontext und es ist mir egal woher er kommt. Was mich wirklich interessiert ist, wie ich mich mit der Musik fühle, wenn ich sie höre und wie sie zu meinem Leben passt. Ich las bereits ein paar Kritiken von Journalisten über meine Alben und es ging nicht mal um die Musik. Falls sie doch über die Musik schreiben, geht es an mir vorbei. Es ist mehr eine Kritik an mir und wie sie mich nicht mögen. Diese ganze Sache ist so befremdend, denn ich habe diese Leute nie getroffen und sie können mich trotzdem nicht ausstehen. Ich denke, was schlussendlich beweist, dass die Leuten Unrecht haben, ist dass sie einfach etwas machen, was andere interessiert. Wie bei dem Album "Play". Es kam heraus und anfangs bekam es viele schlechte Kritiken. Die Leute haben dann aber angefangen, sich die Musik anzuhören und sie mochten die Lieder. Es gibt viele Bands, die von der Presse immer geliebt werden, egal was sie tun. Auf der anderen Seite gibt es Leute wie mich, die eine sehr "komplizierte" Beziehung mit der Presse haben. Manchmal gut, manchmal schlecht. Ich kann mich trotzdem nicht beklagen, da ich niemals eine Kariere als Musiker erwartet habe. Ganz ehrlich, ich denke, wenn Du mich vor 20 Jahren gefragt hättest, was ich in 20 Jahren machen würde, hätte ich dir gesagt, ich weiß nicht… vielleicht an einer Hochschule unterrichten.

hitparade.ch: Du hattest großen Erfolg als DJ, Songschreiber und Musiker. Viele Künstler, falls sie Glück haben, sind auf einem dieser Gebiete erfolgreich. Was ist dein Erfolgsrezept und wie kam es dazu?
Moby: Es gibt drei Gründe:
A: Als ich bereits sehr jung war entschied ich mich für die Musik.
B: Ich wüsste nicht was ich sonst tun sollte.
C: Zum einen das calvinistische Erbe und zum andern die unsichere Arbeitsethik haben mich gezwungen, sehr, sehr hart zu arbeiten. Hilfreich ist, dass ich liebe, was ich mache. Viele emotional gesteuerten Leute würden an einem gewissen Punkt anfangen zu relaxen. Ich war nie fähig zu relaxen.
Es ist dieses konstante Arbeiten, Touren, Lieben was ich mache und nichts anderes machen zu wollen.

hitparade.ch: Du hattest mehr als 3000 Shows in Deiner Karriere. Welches waren die eindrücklichsten Erfahrungen?
Moby: Während meiner Karriere habe ich jede Art von Shows gemacht. Ich spielte in einer Punk-Rock Band. Einer der komischsten Auftritte, den ich hatte, war im tiefen Winter in einer Pizzastube in Akron - Ohio. Es waren mehr Leute in der Band als Besucher. Wir waren ca. 8 Leute inklusive den Freunden, die uns dorthin gefahren haben. Ich glaube, nur 3 Personen kamen zur Show. Die nächste Geschichte ist noch nicht mal so lange her. In Italien spielten wir 1995 an einem Ort, der für ca. 2000 Leute gemacht war und es kamen nur 8 Personen. Vielleicht waren da noch zusätzlich 3 Leute auf der Gästeliste und es kamen dann insgesamt 11 Personen. Oder da war noch Paris. Wir spielten 1996 oder 1997 an einem Austragungsort, der sich The Arapaho nennt und wir haben ca. 50 Tickets verkauft. Die Hälfte der Leute ist dann noch während dem Konzert gegangen, denn ich machte eine ziemlich bizarre Punk-Rock Show. Aus irgendeinem Grund erinnere ich mich an diese Dinge. Ich kann mich besser an die missratenen als an die guten Shows erinnern. Die guten Auftritte sind einfach gut. Die traurigen, armseligen und schlechten Vorstellungen machen die viel besseren Geschichten. Wenn du für 5000 Leute spielst und sie kommen und geniessen das Konzert, dann ist es grossartig, aber es ist keine Story. Wenn du ein Punk-Rock Konzert gibst und es kommen 50 Leute und 25 davon verlassen die Show vorzeitig, dann ist dies einmalig und es entsteht eine Anekdote.

hitparade.ch: Gibt es mit so vielen Awards und Auszeichnungen noch etwas, was du noch nicht erreicht hast und nach dem du strebst?
Moby: Ich würde noch gerne weitere Instrumente lernen zu spielen. Ich möchte ein besserer Pianist werden, weil ich mit der Gitarre erwachsen geworden bin. Ich kann Piano spielen, aber ich bin nicht so gut, wie ich es gerne hätte. Alles was ich wirklich machen möchte, ist Musik zu schreiben und zu hoffen, dass dabei etwas Gutes herauskommt. Ich möchte irgendwann absitzen und sagen können "Wow, ich habe diesen Song geschrieben und ich liebe ihn". Das ist alles was ich will. Einfach weiterhin Musik schreiben. Es wäre schön, wenn sich Leute die Musik anhören würden. Ich schrieb Musik, lange bevor ich ein Publikum hatte und ich hoffe auch, dass ich noch Musik schreiben werde, wenn ich kein Publikum mehr habe.

hitparade.ch: Du hast auch ein Buch über Tee geschrieben und weitere Aufsätze, die oft deinen Alben als Einlage hinzugefügt wurden. Hast du je daran gedacht, weitere Bücher zu schreiben?
Moby: Ja, so habe ich meinen Namen bekommen. Ich wurde nach Herman Melville genannt. Ich weiß nicht. Bücher sind hart (lacht). Ich habe sehr viel Bewunderung für Leute die Bücher schreiben, vor allem Romane.

hitparade.ch: Vielleicht eine Zusammenfassung von all deinen Versuchen?
Moby: Ja, bis zu einem gewissen Punkt würde ich das gerne machen. Ich mag Bücher. Momentan arbeite ich sogar an einem. Ich bin nur eine Art Herausgeber. Es geht um Tierproduktion und Fleischkonsum, aber nicht bloß darum zu sagen, Fleisch zu essen ist falsch. Ich sage lediglich "Ok, wenn Du Fleisch essen willst, dann schau Dir die Konsequenzen an".

hitparade.ch: Du bist bekannt für deine offenen Ansichten. Wie würdest du deine Lebensphilosophie zusammenfassen?
Moby: Meine Philosophie lautet wie folgt:
A: Nimm Dich selbst nicht zu ernst
B: Das Leben und das Universum ist komplizierter als Du dir vorstellen kannst
C: Folgende Weisheit ist einer der besten Dinge, die ich je gehört habe. Ich hörte ein paar Leute lange über deren Lebensphilosophie sprechen und am Ende stoppten sie sich selbst und sagten: "Du weißt, ignoriere einfach alles was ich soeben gesagt habe. Alles was Du machen musst ist, mach ein bisschen mehr von dem was gelingt und ein bisschen weniger von dem was nicht gelingt." Das war das Weiseste, was ich je gehört habe. Wenn man das versucht und mehr von dem tut, was gelingt, dann ist die Chance groß, dass du damit aufhörst. Wenn du versuchst weniger von dem zu tun was nicht gelingt, das funktioniert ebenfalls nicht. Ich denke, das war der Grund, wieso Siddhartha Gautama den Buddhismus erfunden hat. Er nannte dies "den Mittelweg". Es bedeutet nicht extremistisch zu sein. Er meinte damit, es ist ein Mittelweg, du sollst nicht hinausgehen, in einem Keller leben und Käfer essen.

hitparade.ch: Es ist erstaunlich, dass du so viel Zeit findest, dich mit deinen Fans in deinem online Journal auszutauschen. Wie klappt das und ist schon mal ein Fan von dir außer Kontrolle geraten?
Moby: Ich bin definitiv eigensinnig gewesen und habe andere Leute befremdet. Ich denke, wenn ich nie einen Eintrag gemacht hätte, würde ich mehr Alben verkaufen. Wenn ich nach Finnland gezogen wäre, mich in eine Hütte zurückgezogen und alle 2 Jahre ein Album herausgebracht hätte, würde ich eine esoterische Person sein und ich hätte nie jemanden angegriffen. Ich habe jedoch eine große Klappe und ich lebe in New York. Ein Teil von mir würde gerne esoterisch und cool wie Tom York sein, aber ich bin nicht esoterisch und nicht so cool wie er.

hitparade.ch: Während dieser Tour hattest du das Ziel 100'000 Dollar bei den Touren in Kalifornien zu sammeln und an die Opfer von häuslicher Gewalt zu stiften. Hast du das geschafft?
Moby: Ja, es war unglaublich. Die Gesetzgebung von Kalifornien kürzte sämtliche Finanzierungen von Hilfsprogrammen gegen häusliche Gewalt. Ich habe mit The California Partnership zusammengearbeitet um diese häusliche Gewalt zu beenden. Das ganze Geld, welches ich in Kalifornien eingenommen habe, gab ich ihnen. Wir haben uns zusammen mittels einer Medienkampagne dafür eingesetzt, dass die Politiker wieder eine finanzielle Hilfe anbieten. Bereits nach 2 Wochen hat Arnold Schwarzenegger und die Gesetzgebung eine Notfallsitzung für eine entsprechende Finanzierung einberufen. Schlussendlich investierten wir 2 Wochen und erhielten für die Finanzierung 20 Millionen Dollar.

hitparade.ch: Hier sind die Top 10 der Schweizer Charts. Kannst du sie kommentieren?
Moby: Sind das Singles? (lacht). Eine seltsame Zeit für Popmusik. Es ist lustig. Ich habe heute sogar mit jemandem darüber gesprochen, dass ich gestern Abend Adam & The Ants gehört habe. Ich habe deren größten Hits runtergeladen. Die Alben "Kings Of The Wild Frontier" und "Price Charming" sind großartig. Es sind großartige Pop-Alben. Es erschien mir, als wären Popmusiker sehr gerissen (lacht). Ich erinnere mich, als ich 16 Jahre alt war, las ich ein Interview von Adam Ant. Er sprach über Lenny Bruce und the Situationists. Sogar die Durun Duran sprachen über Roxy Music und Jean Cocteau als Ihre Karriere begann. Ich möchte kein 44jähriger sein, der Popmusik kritisiert, aber für mich ist es Müll. Wenn du in einer Bar bist und morgens um 2 Uhr einen Lady Gaga Song hörst, ist es lustig. Ich habe nichts gegen sie. Wir beide kommen aus derselben Welt in New York. Sie ist eigentlich eine Art Karikatur und Kunstdarstellerin. Sie selbst sieht sich eher wie ein Andy Warhol oder Jeff Koons, nicht wie ein Pop-Star. Vieles kommt und verschwindet auch schnell wieder. Prince und Bruce Springsteen waren z.B. grossartig. Sie haben Millionen von Alben verkauft und hatten Tonnen von Top 40 Singles. Ich hatte immer das Gefühl, dass die anderen einen Grad von Integrität hattten und clever waren. Und dass es einfach so ist… vielleicht sollte ich einfach einen Schritt zurücktreten und die Tatsache schätzen, dass es verkäuflich und glamourös ist. Es erscheint mir manchmal, als wären Sie ausgebildete Roboter. Wenn ich die Top 10 sehe, denke ich Robbie Williams ist interessant, weil er das schon so lange macht und alles was er macht kommt ironisch rüber. Es ist eine komische Zeit für Musik. Ich wundere mich darüber, wieso die Leute das so machen. Früher hatte man eine Hit-Single und verkaufte sie dann millionenfach. Heute macht das niemand mehr. Die großen Labels geben sehr viel Geld aus. Wenn man bedenkt wie viel die Kampagnen kosten…Sie müssen das so machen, weil sie ihr Label in den Charts haben wollen. Das Geld wird für Produktionen von Alben, den Videos und fürs Finden von neuen Musikern ausgegeben. Am Ende verkaufen sie dann 100'000 Alben.