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Interview mit Chris von Rohr (Krokus)



KROKUS IS BACK!!

Unkraut vergeht nicht, so heisst es. Der Krokus zum Glück auch nicht, besonders nicht in Solothurn, denn dort spriesst es wieder; das wunderbare, einzigartige und in neuer Pracht aufkeimende Kick-Ass-Pflänzchen!
Mit "Hoodoo" kehren Krokus in den Ring zurück und knocken die Konkurrenz in der ersten Runde problemlos aus - der Lohn; Neueinstieg auf Platz 1 und 5 Wochen in der Top 3 der Schweizer Hitparade.


Ganz unverhofft eröffnete uns Chris von Rohr vor seinem Kurzurlaub vor Schweizer Tourbeginn die Möglichkeit zu einem spontanen Talk; offen, direkt, ehrlich, unverblümt sprach der Krokus-Gründer mit Hitparade.ch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Krokus.
Er stand uns Rede und Antwort, doch noch ist lange nicht alles gefragt und gesagt. Darum kündigen wir hier bereits einen zweiten Teil für den Herbst an.
Aber jetzt erst mal "let's go" zu einem Auszug aus einem sehr guten Gesprächsabend.


Als erstes wollten wir wissen, wie es sich anfühlt nach all den Strapazen der langen Produktion.

"Es ist Stolz, Genugtuung, Freude und Erleichterung in einem, dass "Hoodoo" rund um den Globus gute Resonanzen einfährt. Es war ein langer Weg dahin, die Vorbereitungen liegen 2 Jahre zurück. Es ist nicht so, wie sich das viele Leute vorstellen, dass man kurz über Weihnachten in ein Studio geht, ein paar Mikrofone aufstellt, in 2 Wochen alles einspielt und dann mit einer fertig produzierten CD lässig wieder heimgeht. Man hört einen Song bis zum Endprodukt um die 1000x, besonders als Produzent, der vom Komponieren, über die Demophase, zum Rearrangieren, übers Proben und Einspielen bis hin zum Endmix immer präsent sein muss. Am Ende weißt du selber nicht mehr mit Bestimmtheit; ist es nun Hit oder Shit. So kommen auch mal Zweifel auf, denn du kannst keinen Song 1000x hören, ohne dass er dir irgendwann zum Hals raushängt. Mir jedoch dienten diese Zweifel um noch mehr Gas zu geben und das Beste rauszuholen was in meinen Mitmusikern steckt! Insofern ist es natürlich eine super Sache und ein schönes Gefühl, wenn die Resonanz der Neutralen, die ohrenmässig noch nicht abused sind, sehr positiv ausfällt!"

Chris von Rohr wirkt entspannt und zufrieden. Müde und ausgelaugt sei er nach all der getaner Studio- und Promoarbeit. Mit seiner Liebsten wird er die kommenden 12 Tage in Ägypten verbringen.
Währenddessen wütet in der Schweiz der Pro-Krokus-Sturm. Fans, Presse und Musikliebhaber sowie Musikerkollegen gönnen Krokus den Erfolg. Doch wo Erfolg ist, kommt auch immer schnell Gegenwind auf, viele Leute machten schon im Vorfeld unnötig Druck und Negativgeschwätz versuchte das Projekt im Keim zu ersticken - Chris von Rohr sieht das ganze jedoch relativ gelassen.


Nun, fundierte, nachhaltige Kritik von Menschen, die Ahnung haben, ist immer willkommen. Da kann man nur profitieren!
Die Nörgler, Zweifler und diese Haar-in-der-Suppe-Sucher, die es in der Schweiz ja wirklich zuhauf gibt, wirken auf uns oft eher motivierend! Wir erkannten früh; es ist besser man wird unterschätzt als überschätzt! Ich habe selber zu jeder Zeit dieser Produktion gehört, was wir machen und wie es klingt, so konnte ich mir stets bei Negativgeschwätz denken; "sehr gut, jammert ihr nur noch ein bisschen - ich weiss ja, was kommt!" Von daher hat mich das überhaupt nicht belastet.
Man muss das Ganze versuchen zu durchschauen, warum das so ist", sagt er - diesmal im ernsten Ton. "Jeder, der in der Schweiz über den Durchschnitt herausragt - sei das in der Politik, Film, Musik oder sonst wo - hat von Anfang an Gegenwind, an dem wird gesägt oder er wird schlechtgeredet. Das war schon immer so! Am meisten hassen diese Neunmalklugen, wenn man etwas positiv, laut und deutlich sagt! "Wir werden im Hallenstadion spielen" zum Beispiel - schon damals bezichtigte man uns des Grössenwahnsinns! Und wenn du das Ziel dann auch noch erreichst, hassen sie dich noch mehr. Hat man dieses Spielchen aber mal durchschaut, wird es unwichtig! Denn du musst immer sehen; wer eigentlich von dieser sogenannten Schweizerszene, gönnt einem den Erfolg nicht? Es sind meistens die Möchtegerns, die Erfolglosen, Ex-Musiker oder ein paar Lahmarsch-Bürokraten in den trägen staatlichen Instituten, die von unseren Steuerabgaben leben. Jene, die uns und unseren Lebensstil per se Scheisse finden, weil sie ein langweiliges, eingeengtes 08/15 Leben führen und selbst gerne Rockstars wären. Nein, es ist nicht ein Büne Huber, ein Kuno Lauener, ein Stress oder ein Adrian Sieber von den Lovebugs. Es ist nicht ein Roman Camenzind, ein Eicher oder solche Leute, die selber Erfolg haben und dran bleiben. Die wissen nämlich was für eine Arbeit dahintersteckt und wissen das auch zu schätzen - die freuen sich mit einem, wenn man viele CD's verkauft, denn es hilft der ganzen Szene; hat eine Band Erfolg, gehen die Konsumenten auch wieder in die Geschäfte und hören sich im Idealfall auch was Neues an!
Den komischen Dauernörglern muss man einfach den Spiegel hinhalten und sie fragen; Hey Jungs, gibt es irgend etwas in eurem Leben, das ihr geleistet habt, von dem ich dringend Kenntnis haben sollte? Was dann folgt ist immer ein gähnendes Nichts - ein äh-äm-äh-Rumgeeier. Würde hingegen ein Lemmy, ein Ozzy oder ein Steven Tyler, also eine renommierte Figur, sagen: "Ihr seid ein Joke", dann würde mich das vielleicht beschäftigen. Aber doch nicht bei irgendeinem Hansi Hinterknuckel ohne Leistungsausweis. Insofern ist alles sehr relativ, was da an Gegenwind kommt. Um es zu verdeutlichen; von 100 Mails sind vielleicht 2 negativ, der Rest gibt klar die Richtung vor; "GEIL", "zum Glück", "ready", "guter Job, wir schätzen die Arbeit!"und um das geht es eigentlich: ehrliche Arbeit und Leidenschaft für die Sache.

Wie war nach all den Streiterein und all den halbherzigen Mittelmassproduktionen diese "Hoodoo"-Reunion überhaupt möglich? Von Rohr erklärt in seinem typisch breiten Solothurner-Dialekt die Unterschiede von 1988 und heute.

"Die Ausgangssituation gegenüber 1988 ("Heart attack" Album) war eine ganz andere; ich hatte in den Jahren eine Krokus-unabhängige Karriere als Produzent gemacht, hatte eine eigene Radio-und TV-Show und was weiss der Gugger noch alles. Das meiste war erfolgreich. Durch den Film "As long as we live" kam ich mit Fernando 2004 wieder in Kontakt und wir rauchten die heilige Friedenspfeife. Allein schon in den Film-Szenen, wo wir spontan diese Songsequenz "As long as we live" jammten, sprang der Funke über. Danach begannen wir mit Koki Kohler und Freddy Steady zu spielen. Dann kam die Anfrage für "Die grössten Schweizer Hits" im SF. Marc hatte währenddessen seine Krokusband, ohne Fernando oder sonst einem Originalmitglied - und Marc und Fernando waren so zerstritten, dass beide die TV-Show erst gar nicht machen wollten. So nahm ich das Heft in die Hand. Ich redete mit Fernando und Marcs Betreuer Roli Eggli - und nach langem Hin und Her gelang es ihm Marc klar zu machen, dass es nur eine grosse Chance gibt: Die Reunion des Originals. Auch Fernando, Koki und Freddy waren der Meinung, dass dies nur mit den richtigen Leuten funktionieren würde. Die erfolgreichste Formation musste her und wieder zu einem Ganzen verschmolzen werden. Meine Aufgabe war unter Anderem mit Marc ein Team zu bilden, wie ich es mit Fernando zu diesem Zeitpunkt bereits wieder war. Ich musste als Produzent die Sache auf den Punkt bringen, und zwar richtig. So wie bei den 4 grossen Krokus Alben. Ich liess mir die Sache lange durch den Kopf gehen und kam zum Schluss: let's do it - trotz aller Risiken - again! Meine Bedingung dabei war jedoch klar: Krokus ist zwar eine demokratische Band und jeder hat eine Stimme, doch ich gebe als Coach den Segelkurs vor und habe das letzte Wort und auch die Verantwortung, was die kreative Geschichte des Projektes angeht. Das fand die Band gut und auch die Plattenfirma hat das voll unterstützt. Insofern war das Vertrauen seitens der Band, des Managements und der Plattenfirma 100% da - dafür musste ich nicht mal kämpfen. 1988 hatte ich noch nicht das Know-How und Selbstbewusstsein mich hinzustellen und zu sagen: entweder so oder gar nicht."

Zwischen 1988 und 2006 passierte viel. Das Bandkarussell drehte sich unaufhaltsam, Krokus existierten immer weiter in teilweise abstrusen Formationen, man versuchte die Kuh noch zu melken, als sie schon lange keine Milch mehr gab.

"Fernando sagte es korrekt: man hätte viele dieser Bands nicht mehr Krokus nennen dürfen. Die Leute, die da mitspielten, hatten mit dem Aufbau der Band, der Region, aus der Krokus stammen, zero was zu tun, rein gar nichts. Ich will zum Beispiel die "Hellraiser-Band" nicht schlecht machen, im Gegenteil. Nur waren es einfach Musiker, die sich dieses "Krokus-Jackett" angezogen haben und glaubten Krokus zu sein. Das waren keinesfalls schlechte Musiker, ich will da richtig verstanden werden! Aber dies war einfach nicht Krokus und hat mit dem, was Krokus mal war und ausmachte, nichts zu tun! Man kann bei den Rolling Stones auch nicht alle tragenden Figuren austauschen und es bleibt nur noch Mick Jagger - andererseits kann man auch nicht Alben unter dem Namen Krokus veröffentlichen ohne Marc Storace. "Stampede"oder "Round 13". Solche Verwässerungen waren schlicht Irrwege. Aber Schwamm darüber, das ist Schnee von gestern und heute sind alle schlauer und vor allem happier."

Chris von Rohr fungierte für "Hoodoo" neben seinem Bassjob auch als Produzent. Viele missverstehen den Produzenten als eine Art Management-Figur, die nur ein bisschen an den Reglern rumschraubt - wir wollten wissen, ob dieser Job auch tiefgründiger sei.

"Es ist nebst gutem, genauem Zuhören, Impulsen geben auch viel Psychologie dabei. Man muss einfach mit den Leuten umgehen können und wissen, wie man sie motiviert. Ein guter Produzent kann aus den Leuten das Beste rausholen. Das Beste von dem, was in ihnen steckt! Zum Beispiel bei Marc; man kann ihn noch besser klingen lassen als damals, wo er einfach nur auf die Pulle gedrückt hat wie in "Playing the outlaw". Es ist wie bei einem guten Wein. Seine unglaubliche Powerstimme in den hohen Bereichen ist einfach geil! Doch man muss sie richtig einsetzen, man muss zusammen erarbeiten, wo welche Linien und Gesangsrhythmen am besten und songdienlichsten daherkommen! Das braucht Zeit, Nerven und Vertrauen. Ich finde Marc klingt auf "Hoodoo" besser denn je!! An dieser Stelle muss man ihm auch ganz klar ein Kränzchen winden; von all den Sängern unserer Zeit - sei es David Coverdale (Whitesnake), Brian Johnson (AC/DC), Ian Gillan (Deep Purple), Robert Plant (Led Zeppelin) oder Dan McCafferty (Nazareth) - gibt es KEINEN, der in den Höhen noch so gut und kraftvoll klingt, keinen, der noch so gut singt wie Marc Storace! Einfach super! Die Hauptherausforderung für mich als Produzent war, das Beste aus ihm herauszukitzeln. Das ist, denke ich, voll gelungen!
Und so war es für mich auch ein Highlight, als Marc nach Beendigung der Aufnahmen zu mir kam und sich für die grossartige Zusammenarbeit bedankte! Auch Fernando - beide; es war einfach cool, ein von Herzen kommendes "Dankeschön" zu bekommen. So was hörst du als Produzent von Rockbands selten bis nie."

Von Rohr wirkt davon sichtlich berührt, auch jetzt noch, wohl Wochen danach, wenn er davon erzählt! Die Chemie scheint wirklich zu stimmen und der sonst eher angriffige Tausendsassa lobt seine Mitmusiker wo er kann. Kein Ego-Getue, keine Selbstüberhebung, kein Neid! Auch Drummer Freddy Steady nimmt er in Schutz.

"Als bekannt wurde, dass wir den weltklasse Studio-und Live-Profidrummer Kenny Aronoff, der unter Anderem für Alice Cooper, Jon Bon Jovi oder John Fogerty tätig war, für "Hoodoo" temporär mit in's Boot geholt haben, holte ein Boulevardjournalist, der mir schon früher unwahre Worte in den Mund legte, die Giftsäure raus. Trotz der Tatsache, dass sich sehr viele Bands Studiomusiker zur Hilfe holen, wurde gleich wieder alles verfälscht und dramatisiert, nur um ne Streitstory zu haben. Zum Glück wurde der Dude dann "befördert" - anyway, wir wollten die Aufnahmen von "Hoodoo" live klingen lassen, frisch und unverfälscht - dies jedoch mit dem notwendigen Powerdrive. Ohne am Computer alles zusammenzuschustern und zu verfälschen. Man muss wissen, dass der Drummer der heimliche Dirigent, das Powerherz einer Band ist. Nichts beeinflusst das Frischerscheinen, den Groove einer Produktion so wie ein Drummer. Auf dem baut man dann alles auf. Das hört man perfekt bei Bands wie AC/DC, Led Zeppelin oder Motörhead. Freddy ist ein fantastischer Drummer mit enormer Schlagkraft - aber er war auch 20 Jahre weg vom Studio und den hohen Ansprüchen. Fred stand 100% hinter der Entscheidung Aronoff zu engagieren, der manche Tracks einfach präziser einzuspielen vermochte. Alle wollten, dass das Endprodukt so gut wie möglich klingt, es sollte der Band dienen, um das ging es. Man darf dabei zwei Dinge nicht vergessen: erstens ist das Usus und zweitens ist Freddy unser Live- Drummer. Also no Panik auf der Titanic.

Auf "Hoodoo" wird entgegen vieler Erwartungen ordentlich auf's Gaspedal gedrück. Es enthält 3 Up-Tempo-Songs, darunter auch der Closer "Firestar".

"Es ist interessant - von Land zu Land werden verschiedene Tracks geliebt. In Deutschland und Griechenland zum Beispiel fahren sie unheimlich auf "Drive it in" und "Firestar" ab - die kompromisslosesten Lieder der Scheibe. In den Staaten kommen die Covers immer gut an - positives Feedback auf "Born to be wild", das hier häufig verrissen wird."

Das Thema "Born to be wild" wollten wir noch etwas vertiefen. Ist es doch immer wieder ein Streitpunkt bei Reviews (auch auf hitparade.ch) quer durchs Band von Websites, Blogs und Zeitungen. Vielleicht kann von Rohr ja noch eine Lanze brechen für dieses Cover.

"Thema "Born to be wild"; Muttermilch, die Jugend - das was man in jungen Jahren erlebt, prägt einen für das gesamte Leben. Und für uns war "Born to be wild" einfach unser Jugend-Soundtrack. Und so dachten wir uns; sollen denn zukünftige Generationen immer nur diesem 60ties LSD-Hammond-Sound von den Steppenwölfen lauschen können? Warum soll es nur einer Band vorbehalten sein dieses Lied zu spielen? Mal abgesehen von ein paar Edes, die den Song im Mini-Pub auch noch hinkotzen... Warum keine professionelle Aufnahme? Soll denn niemand mal einer zeitgenössischeren Rockversion davon lauschen können? Wir haben uns umgehört; es gibt gar keine vernünftigen Covers von diesem Song - es kennt ihn zwar jeder und live wird er sicher viel gespielt, doch als Studioversion gibt es ausser von Slayer und einer komischen Bruce Springsteen-Version nichts Erwähnenswertes. Weil sich wohl keiner getraut diesen Überklassiker anzufassen. Da stellte sich für uns die Frage: trauen wir uns das zu? Die Antwort war klar. Yes we can! Wir haben sowieso immer das gemacht, worüber die Mehrheit den Kopf geschüttelt und lamentiert hat, "das könnt ihr doch nicht machen". So nahmen wir uns der Sache an und probierten den Song 2x vor Live-Publikum aus, und es hatte in etwa den vergleichbaren Effekt wie damals bei Gotthard "Mighty Quinn" von Manfred Mann, den ich seinerzeit ins Spiel gebracht habe. Ein Übersong, ein Burner, den man am Ende eines Sets bringen kann, bei dem jeder mitfeiert und abgeht. Und es hat funktioniert. Born hat eine Hammer-Message, es ist so ein vielsagender Track der einen Lifestyle verkörpert; "like a true nature child - we were born, born to be wild.." - um genau das geht es doch - das treibt uns. Und deswegen haben wir gesagt: doch, DEN machen wir! Gebraucht hätten wir den Song nicht um das Album zu pushen - nimm es vom Album und "Hoodoo" ist keinen Deut schlechter als mit "Born to be wild"! Aber wir lieben diesen Track einfach zu fest um ihn nicht zu spielen. Und live wird der Song von mal zu mal besser."

Covers gab es ja bei Krokus schon öfters, mal mit mehr oder weniger gutem Feedback…

"Wir mussten - zumindest während meiner Krokus-Zeit - nie ein schlechtes Gewissen wegen unserer Covers haben. Sei es mit "American woman" oder "Stayed awake all night"! Es ging soweit, dass viele Kids damals glaubten, "American woman" - im Original von The Guess Who - sei von uns! Das wird uns natürlich mit "Born to be wild" nicht passieren, selbst wenn viele Jugendliche heute den Song, immerhin von 1968, gar nicht mehr kennen."

Krokus lebten zu ihren Glanzzeiten auch von der markanten Arbeit des 1986 verstorbenen Talentes Tommy Kiefer, der manch einem Song mit seinen Soli enorme Tiefe schenken konnte - auf "Hoodoo" klingt die Gitarrenarbeit etwas anders. Songs wie "Streamer" oder "Tokyo nights", die durch Kiefers Arbeit geprägt sind, sucht man darauf vergebens. Einzig "Ride into the sun" beherbergt diese Melancholie, die Krokus eben von AC/DC stets zu unterscheiden vermochten.

"Die lyrischen Songs waren Tommys Stärke. Fernando war zuerst der Rhytmusgitarrist, Rifflieferant und dann für die schnelleren, rockigeren Leads wie zb "Heatstrokes" zuständig. Nach Tommys Abgang 1981/82 veränderte sich die Musik von Krokus - eher weg von lyrischen Songs wie "Streamer" und "Tokyo nights", hin zum, wenn man vergleichen will, AC/DC-lastigen Powerrock. Das erste Album nach Kiefer war dann auch das kompromisslose "One vice at a time". Knallharte Songs, die wie Baumstämme auf die Discogemeinde runter rollten. Fernando spielt sicher nicht schlechter als Tommy, er spielt einfach anders. Aktuell ist nebst dem süffigen "Hoodoo Woman", "Rock n Roll handshake" und "Drive It In" vor allem eins hervorzuheben; "Ride into the sun". Es erinnert an "Winning man". Doch es gibt da eben einen markanten Unterschied, der die Reife von Arbs gut verdeutlicht. Das Outro von "Ride into the sun" fängt die Atmosphäre des Songs treffend ein. Diese Schlichtheit, diese Dichte dieses ausgefadeten Outros triffts voll; in den Sonnenuntergang reiten ohne grosses Brimborium. Wir benutzten dafür sogar Teile des Demosolos, weil diese die unwiederholbare First-Take-Magic hatten."

Ende April startet die von Fans langersehnte Schweiz-Tour. Wie sieht es mit internationalen Touren sowie Anfragen seitens Amerika aus und worauf können wir uns live freuen?

Wir haben natürlich mittlerweile einen sensationellen Backkatalog, und wir können schlicht nicht alle guten Songs spielen. Für die Schweiz wird der Main-Fokus klar auf dem neuen Album, "Metal Rendez vous" und "One vice at a time" sein. Natürlich werden auch Klassiker wie "Easy Rocker" oder "Screaming in the night" nicht fehlen. In Deutschland werden wir wohl hie und da die Metallhämmer rausholen müssen. Des Weiteren haben wir Anfragen aus ganz Europa und natürlich auch aus Amerika. Das ist schön, doch wir werden sorgfältig prüfen was wirklich Sinn macht. Ich kenne CH-Bands die spielen im Ausland, brüsten sich damit und in Wahrheit fahren sie Riesenverluste ein. So was wird es bei Krokus nicht geben. Man muss schon sehen, dass der ganze Markt - ausser bei den ganz Grossen - im Arsch ist. Heute geht zum Beispiel jemand mit bereits 3000 verkauften CD's in die Top 10 in Deutschland - von der Schweiz will ich schon gar nicht sprechen. Da sind wir mit 40'000 Einheiten hierzulande einsame Spitze da oben.

Chris Von Rohr polarisiert mit seiner direkten Klartext-Art wie kein zweiter Musiker und Promi in der Schweiz. Die einen lieben ihn, die andern hassen ihn - dazwischen gibt's nichts, der Mann lässt niemanden kalt. Jeder hat eine Meinung über Chris von Rohr. Über die Einschätzung der negativen Stimmen sagt Chris Folgendes.

"Mein Gott, ich hab schon seit je her polarisiert und ich kann weiss Gott nicht verlangen, dass jeder meinen Humor, meinen Look und meine Sprüche cool findet. Das ist schon ok, doch sprechen wir lieber von dem, was mein Hauptberuf ist, nämlich die Arbeit an der Musik. Man kann mit mir rumblödeln von morgens bis abends, doch wenn es um die Sache geht, bin ich versessen: entweder wir machen es richtig oder wir lassen es ganz. Eine gewisse Ernsthaftigkeit muss dann einfach sein. Als Skorpion bin ich Perfektionist! Wenn dann etwas in die Hose geht, stehe ich auch offen dazu. Wo gearbeitet wird, passieren auch Fehler. Überall. Doch im Gegenzug kann ich mich dann auch mit Leidenschaft freuen, wenn etwas geklappt hat; "das ist ein Hammer, das ist grossartig und wird ein Hit"! und wenn man mir das dann schon als Arroganz ankreidet, hat man mich einfach nicht gepeilt. Wenn ich etwas sicher nicht bin, das man immer wieder in mich rein interpretiert und projiziert, dann ist das arrogant und grosskotzig! Und schon gar nicht selbstüberschätzend! Wer mich kennt, weiss, dass ich oft zweifle, mich selbst hinterfrage und mir phasenweise den Stachel bis zum Abwinken hinten reindrücke!
Klar bin ich auch ein Typ, der gerne provoziert mit meinen Sprüchen, unter anderem auch um damit aufzulockern und den Humor der Leute zu testen! Die meisten nehmen sich und mich jedoch eh viel zu ernst... Wenn man ein TV-Gesicht hat, das man nun mal in der ganzen Schweiz kennt, fangen die Leute sofort an sich ein Bild zu machen und man wird zur totalen Projektionsfläche, und die Arbeit dahinter wird schlicht vergessen. Hätte ich nicht noch monatlich seit bald 5 Jahren diese Notabene-Kolumne in der "SI" in der ich zu Politik, Frau, Kind oder Tier schreibe, würden die meisten gar nicht wahrnehmen, dass es da noch einen anderen Chris von Rohr gibt, einen, der kritisch reflektiert und wohlüberlegt, philosophisch sagt, was Sache ist!

Anyway, wer mich wirklich kennenlernen will, soll meine Bücher oder Kolumnen lesen - da kann ich tiefer schürfen als im Hit-and-run-Boulevard-Sektor. Kurz, lasst euch sagen, Freunde: ich bin der Freund aller Menschen und Tiere. Mir ist es egal, ob du Kaiser oder Bettler, Katze oder Maus bist - ich behandle alle gleich, und zwar offen und herzlich. Ausser man pisst mich an!

Und dann gibt's ja auch noch den Leistungsausweis von von Rohr….

Nachhaltige und anhaltende Erfolge erreicht man nicht durch simples Fingerschnippen und mit ein paar faulen Sprüchen, da steckt schon mehr dahinter - vielleicht sollten mich diejenigen, die mich kritisieren, mal daran messen und nicht nur immer an irgendwelchen halbernstgemeinten Sprüchen! Klar ist nicht alles immer perfekt gelungen, was ich getan habe - doch im Gegensatz zu vielen habe ich es wenigstens versucht, darum geht es im Leben! You live and you learn. "

Und das Meiste davon wurde zu Gold und Platin... Der grossen Mehrheit wurde Chris sicher durch "Musicstar", der CH-Adaption von "Deutschland sucht den Superstar" bekannt, denn dadurch preschte er als Chef-Juror der Sendung in sämtliche Haushalte der Schweiz vor.

"Die Musikstar-Geschichte habe ich - seien wir ehrlich - in erster Linie wegen der Kohle gemacht, ich muss ja auch von was leben, Kind und Katze füttern. Ich wusste auch nicht genau, worauf ich mich da wirklich einlasse. Als ich dann als Juror fadengeraden, unverbogenen, ehrlichen Klartext rausliess, halt nicht wie im Streichelzoo, eröffneten mir die TV-Fuzzis nach 2 Staffeln, dass es jetzt langsam genug sei - ich sah das genau so, denn die wollten stur an diesem sterilen Halb-Playbackkonzept und Fächensingen festhalten. Roman Kilchsperger und ich hatten natürlich auch Spass, vor allem auf dem Weg zur Bank, denn das Staatsfernsehen bezahlt bekanntlich allen zuviel - auch uns. Ich habe jedoch immer versucht meinen Job bestmöglich zu machen, die Verantwortung als Produzent und Juror wahrzunehmen, meine Erfahrung mit Musik und Sängern professionell einfliessen zu lassen, nicht einfach die Kandidaten nach irgendwelchen Äusserlichkeiten runterzumachen, aber trotzdem auch keine falschen Lobhudeleien loszulassen!
Dennoch habe ich bald gemerkt, dass diese häppchenmässige, komische TV-Welt, wo Mami & Papi mit ganzer Familie vor dem Gerät sitzen und sich darüber echauffieren, wenn der von Rohr mal eben "affenhodentittengeil" sagt - halt so wie bei uns im Probenraum - überhaupt nicht meine Welt ist. Aber es war eine interessante Station auf meinem langen Weg, und das Schöne daran: sehr viele ganz junge Kids haben mich cool gefunden und meiner unverbogenen Art Sympathie entgegengebracht. Kids, die vielleicht auch mal den Weg in eine Krokus-Show finden werden. - That's it!"

Noch nicht ganz - wie es denn nun weiter gehen soll, wollen wir wissen - ob "Ride into the sun" wörtlich zu nehmen ist, ob der Song prophetisch zu verstehen ist...

"Sagen wir es mal so", reagiert er interessiert. "Es ist zumindest der letzte Tango. Wie lange dieser dauern wird, hängt in erster Linie davon ab, wie uns die Götter der Gesundheit gesinnt ist. Auf der Bühne stehen, Songs live zu spielen, zu rocken - in einer zunehmend sterilen, digitalisierten, antiseptischen Facebook-Zeit - ist doch eines der letzten grossen Abenteuer. Das ist es auch, was uns am meisten Spass macht. Solange wir in der Lage sind authentisch und mit Punsh zu spielen, uns noch verbessern können, werden wir das auch weiterhin tun. Salemaleikum!"

Amen - so sei es!