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Interview mit Brooke Fraser

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In ihrem Heimatland Neuseeland und in Australien ist die 26-jährige Brooke Fraser längst kein Geheimtipp mehr. Alle ihre 3 Alben waren in ihrer Heimat an der Spitze der Charts. Ihr neues Album "Flags", eine einzigartige, verträumt-schwebende Pop-Sammlung, die ihre unnachahmliche Sopranstimme, sommerlich-schwirrende Melodien und ihre ganz besondere Vorliebe für das Geschichtenerzählen demonstriert, wird nun auch bei uns veröffentlicht. Wir haben sie zum Interview getroffen.

hitparade.ch: Kurz nachdem Du zum Herausgeber von "Soul Purpose" wurdest, gabst Du den Job auf, um an Deiner eigenen Musikkarriere zu arbeiten. Wie hart war es für Dich, diese Entscheidung zu treffen und warst Du sehr nervös vor diesem Schritt?
Brooke: Nein, ich war nicht nervös. Ich habe das so zwischendurch gemacht. Musik war immer mein Hauptziel im Leben. Den anderen Job machte ich nur ein halbes Jahr lang. Journalismus war immer mein vernünftiger Berufswunsch, doch dass ich eigentlich Musik machen möchte, das habe ich immer gewusst, auch wenn ich mich nie getraut hatte, dies laut auszusprechen. Ich wollte nicht verrückt klingen.

hitparade.ch: Dein Debutalbum erbrachte 7fach Platin in Deinem Heimatland Neuseeland und das zweite Album erhielt ebenfalls 5fach Platin. Das neuste Album "Flags" ist bisher das erfolgreichste. Was waren Deine Erwartungen an "Flags"?
Brooke: Ich wusste, dass dieses Album das Beste ist, was ich je tun konnte. Ich war zuversichtlich, was das Material anging und war überzeugt, dass auch, wenn das Album floppt und es niemand kaufen sollte, dass die Entscheidung richtig war. Kurz bevor das Album erschien, machte ich den Frieden mit mir selber und wusste, dass ich nichts daran würde ändern wollen. Natürlich hatte ich keine Ahnung, wie die Leute in Neuseeland reagieren würden, denn schliesslich bin ich "ihr Mädchen". Ich habe mich sehr schnell sehr verändert, denn man ist ja nur für kurze Zeit ein Teenager, man wächst schnell zum Künstler heran. Ich bin mir sicher, dass viele Künstler sagen würden, dass sie am liebsten ihr erstes Album vergessen würden, das war für mich auch so. Viele der Songs, die ich in meinem Schlafzimmer geschrieben habe nach der Schule, waren da drauf. Meine Erwartungen waren einfach, dass ich meinen Weg so weitergehen kann wie bisher, ich habe getan, was ich konnte.

hitparade.ch: Bist Du überrascht, dass die Tour in den USA und in Australien ausverkauft ist?
Brooke: Ja und nein. Besonders, was Australien angeht, denn es ist sehr lange her, seit ich dort getourt habe. In Amerika hingegen habe ich die letzten Jahre sehr hart gearbeitet. Wir hatten aber auf jeden Fall hohe Erwartungen an die Tour.

hitparade.ch: Du hast gesagt, Dein zweites Album war sehr persönlich, und viele Jahre lang immer wieder diese Songs zu spielen, hat Dich ausgebrannt. Das neue Album ist nun voller fiktiver Geschichten. Denkst Du, dass dieses weniger persönliche Feeling vielleicht die Verbindung zu Deinen Fans schwächen könnte?
Brooke: Das ist lustig, weil ich denke, dass dies Jeder aus seiner eigenen Perspektive betrachtet. Gerade heute hat Jemand nach dem Durchhören des Albums zu mir gesagt, er habe das Gefühl, dass dieses Album das bisher Persönlichste sei. Das fühlt sich für Jeden anders an. Ich bin froh, dass es mir gelungen ist, meine Geschichten zu erzählen, auch wenn ich es in fiktive Stories verpackt habe. Das hat mir sehr viel Freiheit gegeben, besonders, wenn ich die Songs live spiele, was ich ja in letzter Zeit sehr viel tue. Wir spüren diesen Unterschied. Vor 8 Monaten fiel mir das in Neuseeland zum ersten Mal auf und ich habe einen spürbaren Unterschied meiner mentalen und emotionalen Gesundheit bemerkt. Wenn eine Show zu Ende geht, dann bin ich nicht mehr so fix und fertig wie früher. Ich denke, das neue Material ist ein guter Ausgleich zu den alten Sachen und bringt eine Balance hinein. Wenn ich jetzt nach einem Auftritt nach Hause komme, dann nehme ich mir Zeit, um Songs zu schreiben. Bei der alten Tour hätte ich am liebsten eine Woche lang nur noch geschlafen. Jetzt spüre ich, dass meine Kreativität noch am Leben ist. Ich fühle mich richtig gut dabei.

hitparade.ch: Was war der grösste Unterschied von diesem Album zu den beiden anderen in Sachen Arbeit?
Brooke: Dieses Album war das Härteste, was das Schreiben anging. Bei den ersten beiden Alben hatte ich zwischen den Tourneen etwas Zeit, um mich der Arbeit zu widmen, es war nicht so hektisch. Bei diesem Album war es anders. Da wir mit den anderen beiden Alben so intensiv auf Tour waren, eigentlich das ganze letzte Jahr, war ich am Ende ziemlich erledigt. Es brauchte eine Weile, bis ich mich wieder fit genug fühlte, um wissen zu können, was ich als Nächstes erzählen möchte. Der kreative Prozess kam nur sehr langsam in Schwung. Ab und zu war das frustrierend. Es war auch verwirrend, denn Songwriting ist nicht nur mein Job, sondern auch meine Art, Erlebnisse zu verarbeiten aus meinem Leben. Es fühlt sich verwirrend an, wenn man das Gefühl hat, eine Trockenübung zu machen. Es ist ein richtiger Kampf, den man mit seinem Inneren austrägt. Es war aber natürlich eine sehr interessante Phase. Wenn die Dinge langsam wieder ins Rollen kommen, dann kommt glücklicherweise am Ende alles zusammen.

hitparade.ch: Als Du an einem sehr heiklen Punkt angekommen bist und Dein Burnout hattest, hast Du da darüber nachgedacht, Deine Musikkarriere aufzugeben, auch wenn Du den Erfolg sehr genossen hast?
Brooke: Das ist lustig. Ich denke, man hat einen Drang in seinem Kopf und einen Drang in seinem Herzen. Es wäre okay für mich gewesen, wenn ich gewusst hätte, dass dies nun das Ende sein würde, denn ich war einfach nur müde auf jeder Ebene… Aber da ist noch dieser andere Drang, vor dem man nicht fliehen kann. Ich denke nicht, dass ich vor der Musik fliehen kann, aber es brauchte eine Weile, um zu merken, dass ich das nicht möchte. Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich eine gute Übersicht über die Dinge habe. Ich habe Ideen, wie ich das nächste Album gestalten möchte und ich will das unbedingt tun. Es ist aufregend, sich so zu fühlen. Ich kann es aus der Distanz betrachten und freue mich darauf.

hitparade.ch: Warum war es Dir so wichtig, dieses Album selbst zu produzieren?
Brooke: Ich habe mich dafür entschieden, weil es ja sehr oft so ist, dass sich Künstler für Produzenten entscheiden, weil sie deren Arbeiten besonders mögen und weil sie sich auch gerne diesen Stempel aufdrücken möchten. Mit diesen Songs war das so eine Sache… Ich wollte sie auf eine ganz bestimmte Art und Weise produzieren. Ich wollte, dass sie ganz natürlich und in ihrer Originalität erklingen. Um ehrlich zu sein, ich wusste, dass es da Dinge gibt, die mir auf meinem Album sehr wichtig sein würden, und die ich nur realisieren kann, wenn ich der Chef bin. So konnte ich machen, wie ich es wollte. Zudem hatten gewisse Leute eine andere Vorstellung von mir als Künstlerin und hätten dann eine Seite auf das Album gebracht, die mir nicht entsprochen hätte. Ich wollte nicht, dass das passiert. Ich wollte fähig sein, meine eigene Musikalität so zu präsentieren, wie es mir entspricht.

hitparade.ch: Wie hart war es für Dich im letzten Jahr, von Deiner Familie wegzuziehen mit Deinem Ehemann?
Brooke: Ich bin es inzwischen gewohnt, dass ich mich verabschieden muss. Es fühlt sich nicht mehr wie ein richtiger Abschied an, sondern eher wie ein "Wir sehen uns bald". Ich bin sehr froh, dass die Beziehungen in meinem Leben so stark sind. Ich lebe seit sieben Jahren nicht mehr mit meiner Familie zusammen und es ist ganz normal für mich.

hitparade.ch: Warum bist Du denn weggezogen? Was war Dein Ziel?
Brooke: Wir sind weggezogen, um diese CD zu machen. Ich lebe inzwischen aber nicht mehr dort. Wir wussten halt einfach nicht, wieviel Zeit diese Arbeit beanspruchen würde. Wir wussten aber von Anfang an, dass dieser Umzug nur temporär sein würde. Ich liebe Sydney, Australien. Ich möchte für immer dort leben und dort meine Kinder aufwachsen lassen. Ich brauchte für mich persönlich ein wenig Raum - Abstand von meinen sozialen Verpflichtungen - ich wollte mich einfach verkriechen. Los Angeles ist ein spezieller Ort, um sich zu verkriechen, aber ich wusste, dass ich die CD dort machen möchte. Zudem waren all die Musiker, mit denen ich zusammenarbeiten wollte, alle in Los Angeles. Es machte also Sinn, diesen Ort zu wählen. Wir waren aber nur sechs Monate lang dort.

hitparade.ch: Als Teenager warst Du inspiriert von anderen Musikern, die ihr Geld an Menschen in Not gespendet haben. Was hast Du durch Dein Engagement bereits alles sehen und erleben dürfen?
Brooke: Unheimlich viel! Was mir sofort in den Sinn kommt ist, dass ich mit "Charity Water" zu tun hatte für dieses Album. Für die ersten 6 oder 7 Jahre habe ich mich sehr für die Rechte der Kinder eingesetzt und ich wollte meinen Hörern mal eine Pause und Abwechslung gönnen. Über die Jahre haben meine Hörer Hunderttausende Dollar an Institutionen für Kinder gespendet. Das ist eine Riesensache für mich. In Los Angeles hatte ich mit einem Typen geredet, der dann auch an meine Show gekommen ist. Er ist ein wohlhabender Typ und ist in der Show-Biz-Branche tätig. Er sagte: "Jedes Mal, wenn ich einen Brief von meinem Patenkind erhalte, ist das für mich ein unbeschreibliches Gefühl. All diese Dinge, die ich in Hollywood immer tue, all die Arbeit… Und dann kommt ein Brief aus Afrika von einem Kind, dann merke ich wieder, wie gut wir es hier haben." Er sagte, dies habe sein Leben stark beeinflusst. Das ist wirklich etwas Tolles. Mit diesem Album und der Partnerschaft mit "Charity Water" läuft wieder etwas: Nach meiner Tour im Oktober werde ich nach Äthiopien gehen und Bohrungen machen für Wasserbrunnen, wofür mein Publikum gespendet hat. Diese Dinge sind total toll und ich bin begeistert, dass ich Hörer habe, die ihr Herz öffnen und handeln.

hitparade.ch: Hast Du auch schon erlebt, dass gespendetes Geld verschwendet worden wäre, oder dass gewisse Organisationen unseriös gehandelt haben?
Brooke: Nein, nie! Ich bin sehr vorsichtig, mit wem ich mich zusammentue. Gerade "Charity Water" habe ich gewählt, weil sie 100% des Geldes spenden und nichts für eigene Zwecke brauchen oder abziehen. Die ganze Administration dieser Organisation wird aus Fonds von Privatpersonen bezahlt. Ein fünfjähriges Mädchen aus England, sie heisst Kent, hat 2 Pounds gespendet, die sie einzeln mit Pennies zusammengespart hat. Das war so cool für mich, ich durfte sie treffen. Sie kam letzten Monat an eins meiner Konzerte. Dass die Pennies dieses Mädchens wirklich an den richtigen Ort kommen, ist sicher und die Projekte werden mit Fotos, Videos und GPS-Koordinaten belegt. In Äthiopien werde ich die Möglichkeit haben, die Gelder zurückzuverfolgen und den Spendern zu zeigen, was damit passiert. Die können dann mit Hilfe der GPS-Koordinaten auf Google Earth gehen und sich das anschauen. Das ist sehr cool, und es ist wichtig, dass Transparenz herrscht. Sollte ich jemals konfrontiert werden mit einer unseriösen Sache, steige ich sofort aus.
Interview durchgeführt: Kurt Kovac
Redaktion: Bettina Siegwart, Kurt Kovac