Home | Impressum | Kontakt
Login

Interview mit Stress

(c) Agnetti Sébastien

(c) Agnetti Sébastien

Stress hat es als erster Schweizer mit einem HipHip-Album auf die Spitze der Schweizer Hitparade geschafft. Wir trafen den mittlerweile rappenden Schauspieler Stress zum Interview.

hitparade.ch: Im Alter von 12 Jahren bist du von Estland in die Schweiz gezogen - würdest du die Schweiz mittlerweile als dein Heimatland bezeichnen oder fühlst du dich noch immer stark mit Estland verbunden?
Stress: Ja, definitiv. In Estland habe ich meine Wurzeln. Deine Herkunft beinflusst dich ein ganzes Leben lang. Estland ist ein grosser Teil meines Lebens.

hitparade.ch: Wie gut ist denn noch dein Estnisch?
Stress: Ich sprach Estnisch, aber heute ist es schwierig für mich, da ich seit 15 Jahren in der Schweiz bin. Hier habe ich keine Leute, mit denen ich Estnisch sprechen könnte. Anders als bei den Türken und den Italienern gibt es hier keine estnische Gemeinschaft, in der ich Estnisch sprechen könnte. Nach zwei, drei Tagen in Estland würde die Sprache jedoch schon wieder kommen.

hitparade.ch: Dein neues Album "Renaissance" stieg von 0 auf 1 in die Charts ein. Hast du mit diesem großen Erfolg gerechnet?
Stress: Nein, damit darf man nie rechnen. Ich glaubte es erst, als ich die Verkaufszahlen sah. Ich bin stolz, speziell da es ein HipHop-Album aus der Romanie ist.

hitparade.ch: Es ist das erste Schweizer HipHop-Album und das erste Album aus der Romandie, das zuoberst einsteigt. Was bedeutet dir das?
Stress: Es belegt, dass auch HipHop sehr erfolgreich sein kann, ja sogar die Nummer 1 in den Charts werden kann. Auch ist es ein Beleg dafür, dass diese Musik vielen Menschen etwas bedeutet und dass HipHop auch in der Schweiz ernst genommen werden muss, genau wie jedes andere Genre auch.

hitparade.ch: Wie ist der Album-Titel zu interpretieren?
Stress: Er bedeutet die Wiedergeburt der Schweiz. Für mich gibt es eine neue Schweiz. Die gute alte Schweiz ist tot. Die neue Schweiz ist kultureller, flexibler und unabhängig. Außerdem bedeutet es eine persönliche Wiedergeburt, denn auch ich durchlebe eine neue private Situation.

hitparade.ch: Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen diesem Album und den beiden Vorgängern?
Stress: Auf RENAISSANCE gibt es weniger Zensur. Wir haben uns musikalisch weiter entwickelt und machen geschmackvollere Dinge.

hitparade.ch: In deinen Texten greifst du gezielt persönliche, gesellschaftliche und politische Themen auf. Betrachtest du dich als Sprachrohr der Gesellschaft, das nicht nur Musik zur Unterhaltung bietet?
Stress: Nein, ich sehe mich nicht als Sprachrohr. Ich sage einfach nur, was ich denke. Es ist wichtig, dass ich Themen aufgreifen kann, ohne politisch korrekt sein zu müssen. Dies führt dann zu Diskussionen. Natürlich macht man sich so nicht überall beliebt, aber es führt zu notwendigen Debatten. Dies ist sehr wichtig für die Verständigung.

hitparade.ch: Du hast ja bereits deine Tour gestartet, am 9. März im KiFF in Aarau, anscheinend sei es da ganz schön abgegangen. Warum beginnst du die Tour in der Deutschschweiz und nicht in der Romandie?
Stress: Wir haben nicht tausende Shows in der Romandie. Daher will ich dort gut vorbereitet auftreten. Mir gefällt das KIFF und darum wollte ich dort meine Tournee beginnen.

hitparade.ch: Das Konzert im KiFF verlief anscheinend ohne Zwischenfälle, also friedlich. Das ist ja nicht immer so an Hip-Hop-Veranstaltungen, und auch im KiFF hatte man ein grösseres Sicherheitsdispositiv als sonst wo bzw. früher. Wie stehst du allgemein zu Gewalt und mit der Tatsache, dass viele den HipHop-Bereich mit Gewalt verbinden?
Stress: Das Problem ist, dass HipHop überall existiert. Es ist die Musik der jungen Leute. Wir leben in einer sehr brutalen Umwelt. Die Gewalt ist im TV, in Videospielen, beim Fussball - überall. Irgendwie pflegen wir die Gewalt sogar und daher .... Musik entsteht immer als Resultat der Gesellschaft. Lebten wir in einer perfekten Gesellschaft, dann gäbe es wohl keinen HipHop.

hitparade.ch: Es gibt ja bereits Clubs, die auf Hip-Hop-Veranstaltungen verzichten, gerade wegen der Gewaltbereitschaft gewisser Fans und auch der Begleiterscheinung Vandalismus. Auf hitparade.ch wird darüber im Forum auch schon ausgiebig diskutiert. Was hältst du von solchen Aktionen?
Stress: Ich lehne solch radikalen Massnahmen immer ab. Man sollte keine extremen Entscheidungen fällen. Die Clubs müssen jedoch bei der Auswahl der Artisten sehr sorgfältig sein. Mit einigen Acts gibt es Probleme, weil deren Message Gewalt ist. Solche Acts wollen die Clubs natürlich nicht buchen. Die Clubs müssen die Geschichte der Artisten prüfen und schauen, was andere Clubs es in der gleichen Situation gemacht haben. Es wäre eine Schande, wenn die Clubs gar keine HipHop-Acts mehr buchen würden.

hitparade.ch: Wie beurteilst du deine Vorbildfunktion gegenüber Jugendlichen? Willst du überhaupt eine wahrnehmen oder glaubst du, dass es solche Figuren nicht braucht, weil jeder für sich selber verantwortlich ist?
Stress: Nein, ich will ich sein. Meine Verantwortung besteht darin, den Leuten zu sagen, was ich sehe, was ich denke. Ich bin nicht hier um ein Vorbild zu sein.

hitparade.ch: Im Gegensatz zu vielen Jugendlichen, die deine Musik hören, hast du eine sehr gute Ausbildung als Pluspunkt im Lebenslauf stehen. Viele Jugendliche vernachlässigen oder beenden Schule, Studium oder Arbeit aber zugunsten der Musikkarriere. Ist dies der richtige Weg?
Stress: Man sollte definitiv einen Plan B im Visier haben und nicht nur auf ein Pferd setzen. Ich habe das Beste aus meinem Leben gemacht, auch wenn es vielleicht für einen anderen nicht der richtige Weg gewesen wäre. Ich wollte Musik machen, falls es damit nicht geklappt hätte, wusste ich, dass es eine Alternative geben würde und nicht auf eine Sache fixiert gewesen wäre. Also: Wenn du die Möglichkeiten und Fähigkeiten hast, nütze sie!

hitparade.ch: Der Schweizer Hiphop ist bisher ja noch nicht zum Export-Schlager mutiert. Bezüglich der Mundart-Raps ist es eher schwer, im Ausland Fuss zu fassen. Deine Songs würden die Franzosen aber verstehen. Wie wichtig ist das Thema Ausland, insbesondere Frankreich, für dich? Bisher bist du nur in der Rap-Szene bekannt und nicht in der grossen Öffentlichkeit.
Stress: Internationaler Erfolg würde das eigene Projekt in eine andere Dimension zu bringen. Es ist natürlich unser Ziel, aber ist schwer, weil die Musikindustrie momentan einen schweren Prozess durchläuft. Jeder Produzent ist wählerisch bei der Wahl seiner Acts, speziell wenn die Nationalität eine andere ist. In Paris aß ich zusammen mit lokalen Produzenten die mir sagten, sie würden nur mit einem nationalen Künstler zusammenarbeiten.

hitparade.ch: Aber grundsätzlich ist eine Karriere in Frankreich nicht ausgeschlossen?
Stress: Ja, wir arbeiten daran - es gibt definitiv einig interessierte Leute...

hitparade.ch: Dass ihr bei Universal unterzeichnet habt ist da natürlich ein Vorteil...
Stress: Ja, aber ich möchte nicht, dass Universal Schweiz Druck auf das französische Partner-Label ausübt um mich unter Vertrag zu nehmen.

hitparade.ch: Wenn du drei Wünsche frei hättest, was würdest du persönlich an der Schweiz verändern?
Stress: Ich würde die Schweiz insgesamt aufgeschlossener gestalten. Außerdem würde ich jeden reich und glücklich machen.

hitparade.ch: 2005 traten deine Landsfrauen Vanilla Ninja für die Schweiz beim ESC an - dieses Jahr ist mit DJ Bobo wieder ein Schweizer am Start - wie denkst du darüber?
Stress: Ich bevorzuge DJ Bobo, weil er Schweizer ist. Die letzten Jahre sind teilweise ein Beweis für die Schweizer Mentalität, die nicht an ihre eigenen Leute glaubt. Es gibt so viele nationale Künstler die auch berechtigterweise Erfolg im Ausland haben. Genau aus diesem Grund sollten die Verantwortlichen einen Schweizer Musiker aufstellen, der uns international repräsentiert.

hitparade.ch: Kannst du dir vorstellen, auch einmal beim ESC anzutreten?
Stress: Ich wäre wohl nicht der richtige Kandidat.

hitparade.ch: Hier noch die Top 10 der Schweizer Hitparade. Kannst du sie kurz kommentieren?

10. Herbert Grönemeyer - Lied Eins - Stück vom Himmel
Stress: Ich kenne ihn zwar nicht, habe aber großen Respekt vor seiner Arbeit.

9. Justin Timberlake - What Goes Around... / ...Comes Around
Stress: Sein Album ist wohl eines der besten des letzten Jahren, ausgesprochen innovativ.

8. Christina Aguilera - Hurt
Stress: Einer der besten Songs des Jahres.

7. MusicStars - This Is Life
Stress: Gefällt mir überhaupt nicht.

6. Sunrise Avenue - Fairytale Gone Bad
Stress: Kenne ich nicht…

5. DJ Ötzi & Nik P. - Ein Stern (... der deinen Namen trägt)
Stress: Ich kenne sein Gesicht, nicht aber seine Musik.

4. Ville Valo & Natalia Avelon - Summer Wine
Stress: Hmm.. der Sänger von… Sicher ein spezieller Sänger, seine Musik ist aber nicht mein Geschmack.

3. Nelly Furtado - All Good Things (Come To An End)
Stress: Großes Album, Timbaland verleiht vielen Alben eine spezielle Note, so auch hier.

2. MusicStars - Take A Chance
Stress: Kenne ich nicht.

1. Nelly Furtado - Say It Right
Stress: Großartiger Song.